Routenbau-Einblicke

Was auch immer deine Motivation zum Klettern ist, du bist vor allem in der Kletterhalle, um möglichst abwechslungsreiche Routen zu erklimmen. Vielleicht hast du dich dabei schon mal gefragt, wie die Kletterrouten an die Wand kommen. Vielleicht aber auch nicht, schließlich hängen die bunten Steine ja immer griffbereit da. Eventuell hast du dich sogar schon aufgeregt, weil ein Sektor vorübergehend wegen des Routenbaus gesperrt war. Wahrscheinlich hast du dich auch über eine besonders schöne Route gefreut und dann wieder über spezielle Züge geärgert. Grund genug, um dir ein paar Einblicke in die Entstehung unseres Kernprodukts zu geben. Denn wir glauben, je mehr gegenseitiges Verständnis und Kommunikation es gibt desto besser wird am Ende das Klettererlebnis.

Basisinfos:

  • Wir haben ca. 300 Routen
  • Eine Route besteht, je nach Länge und Griffgröße, aus 40 – 70 Griffen + entsprechender Tritte
  • Griffkosten pro Stk. je nach Hersteller: 5 € (kleinste Tritte) bis über 1000 € (richtig große Volumen)
  • Schrauben braucht es ebenso wie Tritte
  • Wenn die Griffe ihren Zenit überschritten haben, also nur noch wenig Grip haben, schicken wir sie zur Neubeschichtung. Das spart Ressourcen.
  • Nach maximal 6 Monaten schrauben wir eine Route raus (Projekte in den oberen Schwierigkeitsgraden hängen mitunter länger)
  • Arbeitsdauer je nach Länge, Gelände und Schwierigkeit 2 – 4 Std.
  • geschraubt wird immer dienstags von 8 – 16 Uhr

Vorbereitung:

Bevor die neuen Routen an die Wand kommen, müssen die alten raus. Darum kümmert sich ein ganzes Team von Abschrauber*innen, das spät abends die genutzten Griffe aus der Wand holt. Wie das Routenschrauben, ist auch das Abschrauben eine körperlich anstrengende Arbeit, die einiges an Know-How erfordert. Die abgeschraubten Griffe kommen dann in die Reinigung. Dort kümmern sich unsere Kolleg*innen darum, dass Chalk, Gummireste und Schweiß von den Griffen gewaschen werden. Die sauberen und trockenen Griffe kommen anschließend ins Lager und warten dort auf ihren nächsten Einsatz. Derweil kümmert sich unser Schrauberchef um die Routenplanung. Er legt fest, wer welche Routen, in welchem Schwierigkeitsgrad und in welchem Sektor baut. Die Grifffarbe sollte dabei farblich zu den Nachbarrouten passen und sich deutlich von diesen abheben. Auch die Griffform bzw. das Set muss dem angestrebten Schwierigkeitsgrad und Gelände entsprechen.

Routenbau:

Früh morgens geht es direkt los. Unser Team bespricht die Tagesaufgaben, die Griffe werden verteilt und geprüft und jede*r legt die benötigte Ausrüstung bereit. Bei uns wird verpflichtend aus redundanten Seilsystemen geschraubt und ausschließlich professionelles Equipment aus dem Industriekletterbereich verwendet. Ein Komplettgurt, Statikseile, Steigklemmen, Sicherungsgerät und redundante Absturzsicherung bewahren hierbei im Falle eines Falles vor folgenschwerem Bodenkontakt. Dazu kommen Helm, Schutzbrille und Gehörschutz. Normale Klettergurte und dynamische Einfachseile hingegen gehören in den Bereich des Sportkletterns haben im Routenbau nichts verloren.

Nach der Vorbereitung und dem Absperren des Arbeitsbereichs geht es ans Schrauben. Was relativ banal klingt, ist komplexes Arbeiten. Allein die Arbeitsumgebung und das Material erfordern detaillierte Fachkenntnis. Unsere Schrauber*innen sind ausgebildet und werden regelmäßig geschult, um die Arbeits- und Produktsicherheit zu gewährleisten. Geschraubt wird aus und mit drei Statikseilen: ein Arbeitsseil, an dem der Schrauber oder die Schrauberin hängt. Ein redundantes Sicherungsseil mit Auffanggerät, welches greift, sollte die Sicherung des Arbeitsseils versagen. An dritter Stelle ein Materialseil. Wie der Name schon sagt, ist daran das Material also die Griffkisten befestigt.

Im Arbeitsseil hängend bewegen sich die Schrauber*innen mit Steigklemme und Trittschlinge aufwärts. Auf Höhe des anvisierten Bohrlochs angekommen erfolgt die Positionierung mithilfe von Verbindungsmitteln an der Kletterwand. Nun müssen noch die Griffkisten hochgezogen werden. Trotz Flaschenzug haben die Kisten mit 50 bis 70 Griffen und Stahlschrauben ein ordentliches Gewicht.

Passen Arbeits- und Materialposition, wird der Griff an die Wand geschraubt. Um die Sicherheit zu gewährleisten, muss dabei eine ausreichende Schraubenlänge gewählt werden und der Griff fest aber nicht zu fest angezogen werden (Bruchgefahr). Der/die Schrauber*in achtet darauf, dass der Griff eine ergonomische Handstellung beim Klettern ermöglicht, nicht im Seilverlauf liegt, die Belastungsrichtung korrekt ist und Exen sich sicher klippen lassen. Passend zu den Griffen setzen die Schrauber*innen Tritte, bewegen sich dann am Seil weiter nach oben und fixieren sich abermals für die weitere Griffmontage. Mitunter entdeckt man dabei auch defekte Schraubgewinde, die direkt mit einem Gewindeschneider wieder gängig gemacht werden. Spätestens hier weiß man, wozu eine Schutzbrille nötig ist (Achtung Metallspäne!).

Sobald der Endhenkel verschraubt und die Route fertig ist, geht es wieder zurück zum Boden und der Prozess beginnt von vorn. An einem Tag schrauben unsere Routenbauer*innen zwei bis drei Touren. Am Ende werden die Statikseile abgebaut und das Team beginnt alle Routen zu testen und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. Die Teammeinung fließt dabei auch in die Schwierigkeitsbewertung ein. Neben den Bewegungen nehmen wir vor allem die Produktsicherheit in den Fokus: sind alle Griffe fest und heil, ist der Seilverlauf reibungslos und kann jede Exe sicher geklippt werden? Erst wenn dieser Check durchgeführt ist, geben wir die Routen frei bzw. entfernen die Absperrung. Bitte sieh davon ab das Schrauberteam bei bestehender Absperrung zu fragen, ob du im abgesperrten Bereich klettern kannst. Solange der Bereich nicht freigegeben ist, läufst du Gefahr durch herabfallende Griffe und Gegenstände getroffen zu werden!

Nachbereitung:

Nach der Freigabe kannst du die frischen Routen testen. Du erkennst sie an den grünen Routenschildern. Wir freuen uns über dein (konstruktives) Feedback. Unser Team gibt jeden Tag aufs Neue sein Bestes, um dir herausfordernde, spannende und einfach schöne und sichere Routen zu bauen. Während es für die Sicherheit klare Kriterien gibt, ist „schön“ eine sehr subjektive Bezeichnung. Häufig werden Routen als schön wahrgenommen, sobald man sie durchgestiegen ist oder einen Onsight geschafft hat. Gelingt der Durchstieg bzw. Onsight nicht oder erscheint eine Bewegung nicht auf Anhieb lösbar, wird eine Route eher als „nicht schön“ betitelt. Eventuell kann man aber genau von dieser Route etwas lernen, eigene Defizite erkennen und gezielt daran trainieren. Kein*e Schrauber*in baut absichtlich unschöne Routen. Durch das gemeinsame Testen wird in der Regel eine hohe Qualität sichergestellt. Sollte dir eine Route dennoch absolut missfallen, komm mit uns ins Gespräch. Hilfreich ist es, wenn du genau beschreiben kannst, was du an der Route nicht magst. Das gibt uns die Möglichkeit dein Feedback in den Routenbau einfließen zu lassen.

Du kannst Bewertungen über die Tendu-App abgeben. Scanne dazu einfach den QR-Code auf dem Routenschild oder nutze den Monitor am schwarzen Brett. Dort findest du auch die roten Sticker zum Markieren lockerer Griffe (Sticker aufs Routenschild kleben und Route in die Liste eintragen).

Und nun viel Spaß beim Klettern!

Wichtig:

Griffe und Seile mögen es nicht besonders aneinander zu geraten. Konkret bedeutet das: wenn dein Seil über einen Griff läuft, hinterlässt das Spuren. Sowohl dein Seil nutzt sich dabei stark ab als auch die Griffe. Achte in diesem Fall darauf, dass du langsam ablässt bzw. abgelassen wirst.